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Montag, 4. Juni 2012

ABBITTE (ANNÄHERUNG AN OMAS WALDERDBEER-STANITZEL)



"Oma, wann machst du denn wieder Erdbeerstanitzel?"
In meiner Erinnerung gab es bei Oma und Opa immer ganz feines Essen: gefülltes Hendl, Fleisch mit viel Sauce, Leberknödel, Rahmsuppe - also alles, was die Enkelkinder eben gerne aßen.

Im Sommer verbrachte ich immer zwei Wochen bei den Großeltern und wurde nach Strich und Faden verwöhnt (kurzer Einschub: Meine Mama sagt ja immer, dass Oma sehr streng mit ihr und ihren drei Schwestern war - die Enkelkinder haben davon aber nichts bemerkt. Oma war damals klein und fast quadratisch, und für mich der Inbegriff von Güte und Gemütlichkeit. Nach Opas Tod wurde sie immer dünner und dünner, so als ob ihr das Essen alleine gar keinen Spaß mehr machen würde).

Sommer bei Oma und Opa das war Frühstück mit frischen Semmerln und selbstgemachter Erdbeermarmelade. Das war der Geruch von Holzrauch, wenn morgens der Tischherd eingeheizt wurde und ich noch im Bett lag. Einkaufen im Städtchen mit Zitronen-Eissschlecker fürs Enkerl. Stundenlang im Garten herumgraben - aus dieser Zeit stammt auch meine Liebe zu (fast) allen Pflanzen. Eine Zugfahrt ins nächste Dorf zum Freibad. Eine Fahrt mit dem Schiff auf der Donau bis Marbach und Kuchen in der dortigen Konditorei. Erdäpfelkäfer absammeln. Wahrscheinlich auch ein bisschen das Gefühl, von morgens bis abends der Mittelpunkt zu sein - denn meinem Bruder war es bei den Großeltern meist zu fad, er war in den Ferien lieber mit seinen Freunden unterwegs.

Und jedesmal wenn wir auf Besuch dort waren, hoffte ich auf Erdbeerstanitzel und war oft enttäuscht, wenn es "nur" Guglhupf gab. Ich bettelte um meine Stanitzel und bekam oft zur Antwort "diesmal nicht, weißt du, die sind so schwierig zu machen". Bis vor zwei Tagen war mir das immer völlig unverständlich - das konnte doch nur eine Ausrede sein, was war daran denn schwierig?


Am Wochenende sammelte ich im Mühlviertel, nahe unserem Wochenendhäuschen die ersten sonnenwarmen Walderdbeeren. Ein mehr als triftiger Grund, sich endlich mal an Omas Erdbeerstanitzel zu wagen. Ihr handgeschriebenes Rezept habe ich geerbt und seit Jahren sorgfältig aufbewahrt. So schwierig schien das Ganze nicht zu sein.

Aber ach, ich muss dringend Abbitte leisten. Oma: So gehunzt hat schon lange nichts mehr! Mag sein, dass es am Teigrezept liegt. Mag sein, dass es mit einem anderen Biskuitrezept einfacher ist. Aber ich wollte ja unbedingt das von Oma probieren!

Stanitzel mit Walderdbeeren und Schlagobers

200 g ganze Eier (das waren bei mir 4 Stück)
160 g Backzucker
120 g Mehl
1 große Prise Salz
2 EL Wasser

250 ml Schlagobers
eine große Handvoll Walderbeeren
2 EL Staubzucker

Die Eier mit dem Zucker und dem Salz zu seiner hellgelben schaumigen Masse rühren. Das Mehl einsieben und unterrühren, ebenso das Wasser. Das Backrohr auf 170 Grad vorheizen. Jeweils zwei Esslöffel von der Masse auf ein Backpapier dünn zu Kreisen von ungefähr zwölf Zentimeter Durchmesser streichen. Dafür habe ich mir ein passendes Schüsserl gesucht und dünn mit Bleistift die Kreise draufgezeichnet. Auf ein Backblech passen vier Kreise - und das sind schon fast zu viele, denn nach dem Backen muss es schnell gehen. Nach ungefähr neun Minuten nimmt man die kleinen Fladen aus dem Backrohr.


Und dann ging es los mit den Schwierigkeiten: zuerst ließen sie sich nicht vom Backpapier lösen. Beim nächsten Versuch drehte ich das Backpapier mit den vier Fladen gleich nach dem Herausnehmen aus dem Ofen um und bestrich die Rückseite des Papiers mit Wasser (wie bei Biskuitrouladen). Dadurch ließen sie sich halbwegs lösen. Die abgelösten Kreise klebten aber sofort auf der Arbeitsfläche fest. Also bemehlte ich die Arbeitsfläche - das half. Und nachdem ich die Stanitzelformen (aus Metall) bebuttert hatte, ließen sich die gedrehten Teiglinge sogar wieder lösen.


Zu langsam war ich aber immer noch - die vierte Flade war jedesmal schon hart, bevor ich so weit war, sie um die Stanitzelform zu wickeln. Die Fehlversuche habe ich aufgegessen - zumindest der Geschmack war sehr gut, wirklich wie bei Oma (Eine nachträgliche Recherche bei meiner Mama ergab: Oma hat - natürlich - kein Backpapier verwendet, das gab es damals noch gar nicht, sondern das Backblech eingefettet. Außerdem hatte sie keine Stanitzelformen, sondern dreht die kleinen Fladen nur mit der Hand - das ging wahrscheinlich auch schneller)!

Kurzunm: Ich kann nicht mehr sagen, wieviel Stanitzel aus dieser Masse gemacht werden könnten - in Idealfall sicher genug für sechs Personen ...
Kurz vor dem Servieren das Schlagobers steif schlagen und die Erdbeeren untermischen. Die Stanitzel erst unmittelbar vor dem Servieren füllen. Den fertigen Stanitzeln sieht man gottseidank nicht an, welche Plage die Herstellung ist, und wie groß der Ausschuss war - genau wie damals bei meiner Oma ...

30 Kommentare:

  1. Schön erzählt, liebe Küchenschabe!
    Ich freu mich auch auf die ersten Walderdbeeren. Die eine bei dir hat mir schon richtig Gusto gemacht.
    Bei aller Liebe zur Oma würde ich trotzdem ein anderes Bisquitrezept probieren, das weicher in der Teigstruktur ist.

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    1. ja, das denke ich mir eh auch - aber ich hab halt für dieses Mal die Herausforderung gesucht, schließlich hat Oma das auch geschafft :-)

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  2. Ach die lieben Omi´s ! So ein schönes Erinnerungsfoto von ihr...Zeit die nicht wiederkommt. Jetzt ist man selbst Oma, jedenfalls ich u. ich überlege gerade, wie wird die Erinnerung dann mal an mich oder uns sein...?
    Bekomme Lust dies auch mal auszuprobieren. Wie schnell ist alles immer weggefuttert, aber das ist ja mit allem so.
    Biskuitteig hab ich in jungen Jahren öfters gemacht u. kenn das Problem mit dem schnellen Rollen usw. und in den 80er Jahren gabs auch kein Backpapier.
    Aber ich hab ja "nur" gefüllte Biskuitrolle gezaubert. Doch ich hab auch nie so recht Lust gehabt das zu machen. Wegen der Arbeit eben. Und mir hat es auch so gut geschmeckt. Die Walderdbeeren mit ihrem unvergleichlichen Aroma !!
    Merci merci merci für das Rezept.

    Mein Enkel ißt leider keine Erdbeeren. Und überhaupt keine Früchte so gern, außer Bananen, Melone und Kirschen. Seltsam, von klein auf, jetzt ist er sieben Jahre. Vielleicht ändert sich ja mal sein Geschmack.
    Seine kleine Schwester ißt dafür alles, sie ist jetzt ein Jahr und 5 Monate. So verschieden...

    allerherzlichst
    Brigitte

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    1. ich steh sowieso auf Kriegsfuß mit Biskuitteig - aber wahrscheinlich hab ich einfach das perfekte Rezept noch nicht gefunden ;-)

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  3. Danke fuer den schoenen Beitrag, irgendwie hat er mich geruehrt.

    Liebe Grueße

    Julia

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  4. Erdbeerstanitzel! Die habe ich tatsächlich seit meinen Kindertagen nicht mehr gegessen. Nun weiß ich, was ich mit meinen Monatserdbeeren auf Balkonien noch anstellen kann. Danke!

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    1. siehst du, wieder so ein Kindheitsessen wie das Reisfleisch ;-)

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  5. Einfach schön und der Geruch von Waldbeeren, ist unübertroffen!
    Herrlich! Danke für dieses tolle Geschichte. Ja, die Oma´s...die konnten soviel.

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    1. ja, und leider hat man das in der Kindheit gar nicht zu schätzen gewusst ...

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  6. Die wenigen Rezepte die mir meine Mutter hinterlassen hat funktionieren oft nicht. Sie hat sich nämlich nicht dran gehalten und eben so aus dem Handgelenk verändert. Diese kleinen Kniffe machen oft den Unterschied. Schade, dass wir nicht mehr zuschauen können. :)

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    1. das stimmt, das ist bei vielen alten Rezepten von mir auch so! Bei diesem Rezept war noch dazu weder Backzeit noch Backtemperatur angegeben. Aber Temperaturen waren wahrscheinlich bei einem Holztischherd ohnehin nur Schätzwerte!

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  7. Die Fotos haben die Mühe wert gemacht, ich vermute sie haben auch gut geschmeckt. Deine Oma-Ferien klingen so idyllisch, die perfekte Kindheit. Omas sind der Hit!

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    1. sehr gut haben sie geschmeckt :-). Die, die wir nicht mehr essen konnten und die noch nicht gefüllt waren, trockne ich gerade für Biskuitbrösel (für die Marillenknödel in ein paar Wochen).

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  8. irgendwie wird mir das unheimlich. mit dem apfelschlangerl hat es angefangen, und jetzt auch noch stanitzel. ich habe vor zwei oder drei jahren mehrere versuche gemacht, nicht schlecht, aber auch nicht wie die in der erinnerung. ich habe sie ganz genau am gaumen, geschmack und textur, aber sie sind verflixt schwer hinzubekommen - und sie müssen frisch gegessen werden. (die masse finde ich übrigens sehr okay, oft wird zu gleichen teilen ei/zucker/mehl verwendet, bei meinen rezepten überwiegt auch das ei.)
    es gibt da noch ein paar tricks, aber für ausführliche versuche habe ich mir noch keine zeit genommen (auf zweimal backen z. b.).

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    1. nicht zu vergessen die vanillekipferl ;-)

      ich werd´s schon wieder versuchen, aber jetzt lass ich mal etwas zeit verstreichen - aber aufgeben kommt natürlich nicht in frage, das ist klar!

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  9. Wunderbar die Geschichte und Deine Oma!

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  10. Schöne Erinnerungen!! Wenn du mit dem Zug nach Marbach in die weithin bekannte Konditorei gefahren bist, wirst du nicht weit von der Donauuferbahn bei deiner Oma gewesen sein... Ich werd ganz wehmütig, ich hab meine Ferien damals mit meiner Mutter (war Lehrerin) im südl. Waldviertel verbracht, Bauernhof, Kuhstall, Kornmandl, Heuen, Fischen, Heidelbeerpflücken, Wald, ursprünglich, wild, herrlich! War lange nicht dort.
    Stanizl hab ich einmal gebacken, in meiner Erinnerung hats funktioniert. Mein Kochbuch sagt: auf 1 Ei je 50 Staubzucker und Mehl, je weniger gerührt wird, desto schöner. Befettetes Blech ist sicher besser als Backpapier. Ich werde testen! lg, Friederike

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  11. Ah, eine Ortskundige ;-) Die Fahrt ins nächste Dorf zum Freibad ging immer von Grein nach St. Nikola! Wenn du dein Rezept mal testest, wäre ich dir sehr dankbar, weil mir reichts momentan ;-) Noch dankbarer wäre ich über einen kurzen Bericht!

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  12. Ach wie schön! So werden die Erinnerungen wieder lebendig. Bei meiner Oma war es die Haselnusstorte
    http://peho.typepad.com/chili_und_ciabatta/2005/09/5_blogevent_reg.html

    aber auch "Cornets", kleine Waffeln, die um ein konisches Holz zu Tüten gedreht und dann mit Sahne gefüllt wurden. Das Holz besitze ich, die Cornets habe ich nie gemacht.

    Die Monatserdbeeren wachsen hier überall im Garten und scheinen dieses Jahr sogar sehr üppig zu tragen - mal sehen, was ich damit anfange...

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  13. ... wenn ich heuer genug Walderdbeeren finde, möchte ich Marmelade machen!

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  14. Die Marmelade würde ich aber mit normalen Erdbeeren mischen. Wir haben einmal eine Unmenge an Walderdbeeren gepflückt und ich habe ein Kilo davon zu Marmelade verkocht. Der Geschmack war derart intensiv, dass es eigentlich schon zu viel war.
    Was sehr gut schmeckt: Eis aus Waldheidelbeeren

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  15. vielen Dank für den Tipp, da ist sicher was dran - dann werd ich mich eben rantasten!

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  16. So eine schöne Geschichte - ähnliche hab ich auch in meiner Kindheitserinnerung, gleich von zwei Omas! Vor ein paar Jahren hab ich aus einem Pfund Walderdbeeren auch Marmelade gekocht. Groß war aber die Entäuschung nach dieser mühevollen Pflückerei - warum auch immer, die Marmelade war etwas bitter. Und so hat dem Rest der Familie die Plantagenmarmelade viel besser geschmeckt !!!

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    1. danke, das passt wahrscheinlich zu dem, was die Turbohausfrau sagt - ich werd also Walderdbeeren mit "normalen" Erdbeeren mischen. Ich werde hier an dieser Stelle berichten, was dabei rauskommt :-)

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  17. Ich schreib grade selbst auf meinem Blog http://kunstvollleben.blogspot.co.at/ über das Erdbeerstanitzel und wollte schauen, ob ich ein Foto im Netz finde dazu, da bin ich über deinen Beitrag gestolpert und ja, es stimmt alles so! Wir alle haben sie geliebt und viel zu selten bekommen.

    Irgendwo schreibst du Vanillekipferl, da hab ich ein perfektes Rezept von meiner Omama mit Butterschmalz statt Butter. Kann ich dir schicken, wenn du magst. Wir sind auf die geeicht, aber sie schmecken vielen Menschen gut.

    Darf ich ein Foto aus der Erdbeerstanitzelseite verwenden, wenn ich auf deinen Blog verweise? Hier gibts nach dem Eisfrühling mit mittlerweile zweimal Hagel bis jetzt eine magere Walderdbeere (die wir täglich verehren ;)

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    1. aber sicher darfst du ein Foto nehmen :-)
      Das Vanillekipferlrezept nehm ich sehr gerne (diekuechenschabe@gmail.com), aber ich warne dich, ich bin der Meinung, im Besitz des allerbesten Oma-Vanillekipferl-Rezeptes szu sein ;-))

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    2. Allerherzlichsten Dank! So sieht es jetzt bei mir aus, mit credits und alles: http://kunstvollleben.blogspot.co.at/2013/06/endlich-sommer-mit-sommerrezepten.html

      Den Vanillekipferl-Contest nehme ich gerne an! Ich muss nur einmal schauen, wo ich das Original-Omama-Rezept habe, ich improvisiere schon seit ein paar Adventen, weil ich es verlegt habe. Dieses Rezept - räusper - hat es geschafft, dass der Mann an meiner Seite sich von den bislang als einzigartig geltenden Vanillekipferln seiner bayrischen Mama abgewendet hat ... ;)

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    3. Das wird dann wirklich eine Herausforderung :-), denn genauso ist es mit meinem Vanillekipferl-Rezept auch ;-)), der Mitkoch mag jetzt meines auch am Allerliebsten!

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